Besuch in der Corona Intensivstation der Uniklinik Tübingen Teil 4

Selfie im Spiegel vom Fotograf in FFP 3 Schutzkleidung

4. Teil meines Beitrages zu der Fotoreportages in der Corona Intensivstation der Uniklinik Tübingen. Wer erst Teil 1 lesen möchte, schaut hier vorbei.

Die erste Ausstellung und was danach kam.

Hier konnte mir zum Glück die Klinik mit ihren Dienstleistern, mit welchen sie regelmäßig zusammen arbeitet weiter helfen. Trotzdem war das noch immer ein ziemlicher Ritt, da durch die Anzahl an beteiligten Stellen sich das nur begrenzt beschleunigen lies. Am Ende hing meine erste eigene Ausstellung an einem ziemlich prominenten Ort, wovon ich knapp 2,5 Monate zuvor nicht mal zu träumen gewagt hätte. Eine große Pressekonferenz via Videoschalte gab es im Vorfeld on Top.

Bei der Auswahl der Fotos für die Ausstellung musste entschieden werden, was gezeigt werden kann und was nicht. Zum einen ist die Örtlichkeit der Galerie direkt angrenzend an die Kinderklinik. Hier ging es darum, zufällig vorbei kommende Kinder durch die Art der Fotos nicht zu verstören. Es sind zudem im Rahmen des Projektes Fotos entstanden, die schlicht ‚zu hart‘ sind um sie einem unvorbereiteten Betrachter in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Ich stellte die Fotos für die Ausstellung teilweise zu einer Collage zusammen mit bis zu vier Bildern pro Rahmen. Dies unterstützt aus meiner Sicht die Bildaussage und setzt die Fotos für sich nochmals in einen gewissen Kontext. Ebenso konnte ich kurze Geschichten erzählen, was nun in der gezeigten Situation passiert. Für den Betrachter, welche die Abläufe nicht kennt ist es teilweise schwierig anhand eines Fotos zu erschließen was gezeigt wird. Eine ähnliche Erfahrung hatte ich ja selbst bei meinem ersten Besuch auf Station gemacht.

Respekt vor der Situation auf der Covid-Station

Ich wurde des Öfteren gefragt, ob ich auf der Station Angst gehabt hätte. Mit Angst wäre ich nicht dorthin. Ich hatte und habe gehörigen Respekt vor der Situation. Jetzt mit Abstand noch mehr, als ich es vor meinem ersten Besuch hatte. So paradox das sich anhören mag, ich fühlte mich auf der Station sicherer, als z.B. beim Einkaufen im Lebensmittelmarkt. Das lag mit daran, dass in der Klinik auf der Station alle wissen woran sie sind und wie sie sich zu verhalten haben. Im Alltag ist das eher weniger der Fall. Wer sich aktuell draußen umschaut, wird verstehen worauf ich hinaus möchte.

Was mich komplett umgehauen hat, welch Resonanz die Fotos nach der Veröffentlichung ausgelöst haben. Durch die Pressearbeit der Frau Hermle, landete die Bildstrecke nicht nur in diversen Zeitungen, sondern im DER SPIEGEL online. Schon alleine in diesem Reichweiten starken Magazin zu erscheinen war wieder etwas, dass ich kaum für möglich gehalten habe. Dann den ganzen Sonntag auf Platz 3 der meistgelesenen Artikel zu stehen, war kaum noch zu toppen.

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Eine unglaubliche Resonanz auf das Projekt

So meldeten sich im Laufe der Zeit zahlreiche Privatleute bei mir und bedankten sich für die Fotos. Die Bildagentur REUTERS rief bei mir an bezüglich Bildrechte. Zwischenzeitlich gab die World Press Photo Association ihre Gewinner für 2021 bekannt. Unter anderem mit dem Foto des Pflegers, welcher eine Bewohnerin eines Altenheimes umarmt. Auf dem aktuellen Plakat für die Ausstellung hier in Balingen ist das Foto überall zu sehen. Ich dachte mir, schade dass du da nicht dabei bist.

Dann meldete sich im Laufe des März Herr Würz vom Zollern-Alb-Kurier bei mir. Ob ich mir es nicht vorstellen könnte, im Rahmen der World Press Fotoausstellung in Balingen welcher der ZAK Mitausrichter ist, einen Beitrag beizusteuern. Zugegeben, ich hielt die Anfrage Anfangs für einen Scherz. So besonders war nun meine Arbeit dort in Tübingen aus meiner Sicht nicht.

Im Rahmen der Gespräche merkte ich, ihnen war es wirklich ernst und wichtig, dass ich teilnehme. Ich unscheinbarer Fotograf, der durch sehr viele Zufälle erst in diese Situation gerutscht ist. Kann mich einmal wer kneifen?

Die Klinik erstellte zwischenzeitlich ein kleines Booklet mit einfühlsamen Begleittexten für die Bilder. Dieses Buch ging kostenlos an alle ehemaligen Patienten, bzw. bei Verstorbenen an deren Angehörige. Im Reutlinger General Anzeiger nutzte eine Redakteurin einige Fotos, um den sehr eindrücklichen Text über den Verlust ihres Vaters an der Krankheit zu bebildern. Nur ein paar Beispiele.

Eine andere Sicht auf die eigene Arbeit und in den Kliniken

Was hat sich für mich persönlich geändert? Ich habe definitiv einen anderen Blick auf die Krankheit Corona und der Arbeit dort in den Kliniken bekommen. Man sollte immer mit ungewöhnlichen Anfragen aus komplett unerwarteten Ecken rechnen. Manchmal benötigt es ungemeine Zufälle, um die richtigen Personen zur passenden Zeit etwas außergewöhnliches Umsetzen zu lassen. Mein eigener Blick auf meine Fotografie hat sich definitiv gewandelt.

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Seine eigenen Bildwerke zu beurteilen und einzuordnen ist nicht einfach. Mir war vorher nie wirklich bewusst, dass ich eine stark emotionale Bildsprache besitze. Ich beobachte gerne und lasse mich dann in die Situation fallen. Die Eindrücke welche ich hierbei gewinne versuche ich dann in das Foto und  die Bildstrecke umzusetzen. Das Foto selbst muss nicht technisch perfekt sein. Trotzdem sind die Details sehr wichtig für mich. In die Situation selbst greife ich nach Möglichkeit nicht ein, ich möchte der Beobachter aus dem Hintergrund mit meiner Kamera bleiben.

Noch etwas zur Umsetzung für die technisch interessierten Teilnehmer: Ich nutzte zwei Canon 5D Mark III, bestückt mit je zwei Speicherkarten á 64GB. Als Objektive kamen ein 16-35mm und 100mm Macro zum Einsatz, beide mit Blende 2.8. Einen zusätzlichen Blitz nutzte ich nicht, da dies die Aufmerksamkeit unnötig auf mich gelenkt hätte. Demzufolge musste ich die ISO teils ziemlich hoch aufdrehen. Lieber Bildrauschen, als gar kein Foto.

Die technische Umsetzung vor Ort

Zusätzliche Objektive hatte ich zwar dabei, nur war ein Wechsel durch die Schutzausrüstung und Kontaminationsgefahr noch Umständlicher als sonst. Ablegen konnte ich die Kameras in den Zimmern nicht wirklich. Der Platz auf den Seitenflächen wurde von den Klinikmitarbeitern benötigt, um zum Beispiel die Berge an Spritzen für die Perfusoren abzulegen. Ich habe das unheimliche Talent meine nicht benötigte Ausrüstung so abzustellen, dass sie mir garantiert im Bild auftaucht. Spätestens an diesem Punkt stand für mich fest: Kein unnötiger Objektivwechsel.

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Würde ich ein ähnliches Projekt nochmals angehen? Definitiv. Schon vor Corona hatte ich  eine Tochter mit ihrer an Demenz erkrankten Mutter portraitiert. Ich bin ebenso ins kalte Wasser gesprungen, da ich von Demenz kaum eine Ahnung hatte. Das war in sehr kleinem Rahmen. Mich hat es damals ungemein Ergriffen, wie diese sehr alte Frau in ihrer eigenen Welt lebte. Sie blätterte in einem alten Fotobuch und konnte die tollsten Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend erzählen. Alles was nach einem gewissen Punkt in ihrer Vergangenheit war, existierte nicht in ihrem Kopf.

Fotos mit einem besonderen geschichtlichen Kontext

Ich denke, dieses Erlebnis hat mich im Vorfeld mit geprägt in der Art wie ich mit solchen Situationen fotografisch und persönlich umgehe. Die Tochter sagte mir später, dass ich eine ganz besondere Art besessen habe mit der Situation umzugehen und im Bild einzufangen. Dies wäre ihr ungemein wichtig, da es die letzten Fotos und Erinnerungen an ihre geliebte Mutter seien. Bei den Fotos von der Corona Station bekam ich ähnliches regelmäßig wieder zu hören.

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Nun stehe ich hier In Balingen vor einem Publikum und habe etwas über mein Fotoprojekt auf der Corona-Intensivstation der Uniklinik Tübingen erzählt. Es ist für mich noch immer surreal wie es hierzu kam und wohin das zwischenzeitlich geführt hat.

Ich danke für das Zuhören.

Und Dank an alle, die dieses Projekt erst ermöglicht haben.

Ende. Danke fürs Lesen.

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