Besuch in der Corona Intensivstation der Uniklinik Tübingen Teil 2

Selfie im Spiegel vom Fotograf in FFP 3 Schutzkleidung

Teil 2 meines Beitrages zu der Fotoreportages in der Corona Intensivstation der Uniklinik Tübingen. Wer erst Teil 1 lesen möchte, schaut hier vorbei.

Und weiter…

Von Herrn Prof. Dr. Rosenberger als ärztlicher Leiter der Station kam als Reaktion (ich zitiere mal frei): Solch eine Idee sei klasse. Er hätte schon öfters gerne authentische Bilder vom Inneren einer Corona ITS gehabt. Dies direkt von „seiner“ Station zu bekommen wäre super.

Frau Hermle von der Öffentlichkeitsarbeit erkannte das weitere Potential der Idee für die Klinik und sagte uns volle Unterstützung in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungsfläche organisieren, usw. zu. Ohne ihre Kontakte & Erfahrungen im Bereich der Pressearbeit, wäre das Projekt kaum solch ein Erfolg geworden. Ähnlich lief es bei den anderen Stellen im Haus.

Nach einem Vorgespräch in der Klinik konnte ich das erste Mal einen Blick in die eigentliche Corona-Intensivstation von der letzten Schleuse aus werfen. Auf mich wirkte das soweit wie eine normale Station, mit dem Unterschied, dass die paar Mitarbeiter welche ich sehen konnte mehr Schutzkleidung trugen. Ein Großteil der Mitarbeiter war für mich nicht einsehbar in den Zimmern bei den Patienten. Von Patienten war weder etwas zu sehen oder hören. Weiter auf Station konnte ich nicht, da ich mich dem vollen Procedere mit dem Umkleiden unterziehen hätte müssen.

Ich blieb mit der Klinik weiter in Kontakt, hauptsächlich mit Frau Strasser als Schnittstelle auf die Station. Immerhin arbeitet sie direkt vor Ort und konnte mich so über die Entwicklung auf dem Laufenden halten. Frau Hermle als Ansprechpartnerin für organisatorische Dinge. Immerhin stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass ein Teil der Bilder als Ausstellung in der Klinik gezeigt werden sollten. Und hierfür wollte sie ihre Kontakte in der Presse und die Social Mediakanäle der Klinik nutzen.

Die Klinik ist begeistert

Meine erste, eigene Ausstellung – cool. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, dass ich mit diesem Traum eines jeden Fotografie begeisterten Menschen in ziemlich tiefes und kaltes Wasser sprang. Es ist ein Unterschied zwei oder drei Bilder für die eigene Wohnzimmerwand zu entwickeln oder um die 30 Stück für eine öffentliche Ausstellungsfläche. Dann noch unter den Bedingungen eines verschärften Coronalockdown.

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Ein sehr merkwürdiges Weihnachten und Silvester zogen vorüber. Größere Treffen oder Feierlichkeiten waren ja untersagt. In der ersten Januarwoche kam von Frau Strasser die Mail, ob ich nicht spontan in die Klinik kommen könnte. Es wäre ein Patient in einem ganz besonderen Bett, einem Rotorest-Bett. Dieses Bett hat eine automatische Rotationsfunktion nach links und rechts. Hiermit soll die Lungendurchblutung des dort liegenden Patienten unterstützt werden.

Diese Art der Therapie kam bei diesem Patienten in Tübingen zum ersten Mal im Rahmen der Corona-Behandlung zum Einsatz. Die Dauer der Behandlung in diesem Spezialbett sind auf nur wenige Tage beschränkt  und der Patient sollte absehbar in ein normales Bett umgelagert werden. Diese einmaligen Bilder von dem Patienten in diesem Spezialbett sollte ich unbedingt aufnehmen.

Mein erster Einsatz auf Station

So bin ich tags drauf nach Tübingen zu meinem ersten Einsatz. Nicht wirklich wissend was mich erwartet. Im Gepäck meine zwei Kamerabodies und ein paar Objektive.

Ich wurde von Frau Strasser am Eingang der UKT in Empfang genommen und sie begleitete mich in die Klinik. Sie sollte meine Stütze und Ansprechpartnerin auf der Station sein, immerhin kannte ich weder Abläufe, noch die ganzen Gerätschaften. Ebenso klärte sie ab, welche Kollegen von mir nicht fotografiert werden wollten. Um das Einholen der nötigen Patientenrechte kümmerte sie sich ebenso.

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Ein erstes Erlebnis war für mich das Betreten der eigentlich Klinik, der Weg auf die Covid ITS und das Umkleiden. Nach der Anmeldung am Eingang, der Zugang zur Klinik war für fast jeden geschlossen, ging es zur Umkleide. Dort kleidete ich mich in den blauen Kasack wie ihn die Mitarbeiter ebenfalls tragen.

Komplett in FFP3 Schutzausrüstung umkleiden

Von dort ging es direkt mit dem Aufzug in das fünfte Stockwerk auf die COVID ITS. Im Schleussenbereich der COVID zieht man sich nochmals einen dünnen Kunststoffkittel, Haube, zwei Paar Handschuhe, anderes Paar Schuhe welche nur auf der Station dort getragen werden, Schutzbrille und FFP3 Atemmaske über. Nun kommt man sich vor wie ein Alien in einer komplett anderen Welt. In dieser Schutzausrüstung den ganzen Arbeitstag zu stecken ist körperlich nicht ohne. Da es so warm ist, schwitzt man enorm. Hinzu kommt noch das erschwerte Atmen durch die FFP3 Schutzmaske. Meinen Respekt haben die Mitarbeiter, welchen das jeden Tag tragen und dabei noch schwer arbeiten müssen.

Was mir spontan durch den Kopf ging, als ich so fertig eingekleidet das erste Mal mitten in der Station stand:

„Corona macht alle gleich.“

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Hierzu muss ich etwas ausholen, wie es zu dem Gedanken kam. Durch die Schutzausrüstung ist auf dem ersten & zweiten Blick nicht zu erkennen, wer von der Belegschaft welchen Beruf nun ausübt. Ein Pfleger ist nicht von einer Ärztin zu unterscheiden. Das selbe bei den Patienten. Sie liegen alle dort, angeschlossen an diverse Maschinen & Geräte. Der Krankheitsverlauf ist bis man auf dieser Station eingewiesen wird kaum schlechter vorstellbar. Alle zusammen, Patienten wie Klinikmitarbeiter stehen einem fiesen Gegner gegenüber: Der Erkrankung Corona. Gleichzeitig ist alles komplett von der Außenwelt abgekapselt.

Eine eigene Welt innerhalb der Klinik

Bei meinem ersten Einsatz auf Station war ich zu Beginn komplett erschlagen ob der Eindrücke. Das war alles dort komplett neu für mich und ich wusste nicht, was nun interessant sein könnte. Wo sich interessante Situationen entwickeln werden. In meinen sonst üblichen Jobs in der Hochzeits- & Familienreportagenfotografie  greife ich auf gewisse Erfahrungswerte zurück. Ich kann ein Stück weit aus der Situation heraus erahnen, wo nun aus fotografischer Sicht spannende Ereignisse entstehen könnten. Dies fehlte mir.

Ich schnappte mir meine beiden Kameras und fotografierte einfach drauflos. So konnte ich ein Gefühl für die Arbeit auf Station entwickeln und gleichzeitig den immens wichtigen ersten Eindruck vor Ort einfangen. Die Art der Bildsprache konkretisieren und schauen wie die Mitarbeiter auf meine Anwesenheit reagieren. Long Story Short: Sie beachteten mich relativ schnell gar nicht mehr.

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Eine große Hilfe war hier die Absprache mit Frau Strasser, dass sie mich auf Station eingewiesen hat und ebenso auf interessante Situationen aufmerksam machte. Als Mitarbeiterin hat sie den direkteren Draht zu den Kollegen dort und konnte mir so mitteilen, was nun in nächster Zeit passieren wird. Da ich mich auf dem Bereich der Corona-Intensiv sehr frei bewegen durfte war so sicher gestellt, dass ich in meiner Anwesenheit nichts verpasste. Die Station selbst war mit zwei geöffneten Flügeln und mehreren, teils großen Zimmern recht weitläufig. Insgesamt standen 24 Betten bereit, welche Großteils belegt waren.

Ein Beobachter aus dem Hintergrund

Meistens lief ich frei über die Station und fotografierte den ganz normalen Ablauf und wie er sich mir darstellte. Ich ließ mir von den Mitarbeitern in ruhigen Momenten die Maschinen und Geräte erklären. Ebenso, was nun direkt am Patienten passiert und worauf ich zu achten hätte. So konnte ich den Bildaufbau besser in den Kontext der Situation setzen. Öfters reichte es aus einfach das Geschehen zu beobachten und den Auslöser zu drücken.

So kam es, dass ich einmal spät abends im ruhigen Zimmer mit mehreren schlafenden Patienten stand. Es war nicht viel mehr zu hören als das absolut regelmäßige Geräusch der Beatmungsmaschinen. Das beeindruckte mich immens, da mir etwas bewusst wurde. Hier liegen Menschen und mit jedem Takt der Beatmungsgeräte wurde ihr Leben um weitere Sekunden verlängert. Weitere Sekunden im Kampf gegen eine absolut heimtückische Erkrankung.

Wie ich meinen ersten sterbenden Menschen erlebte und fotografierte, bei Teil 3.

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